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Krise – Weise Führung ist gefragt

Seit Monaten steckt unsere Welt in der Krise, das kann man durchaus so sagen. Bekanntlich bedeutet das chinesische Zeichen für Krise gleichzeitig auch Chance. So ist es nicht verwunderlich, dass heute die einen im Detail über die Krise berichten bis hin zu dramatischen (nicht unrealistischen) Zukunftsszenerien. Und die anderen betonen, welche grosse oder sogar einmalige Chance sich draus ergibt zu erkennen wie es um die Welt, unsere Gesellschaft, das ganze Wirtschaft- und Finanzsystem, unsere Erde wirklich steht. Ein Bewusstseinssprung wird erhofft.
In dieser Zeit ist Weise Führung gefragt, aber was heisst das?

Führen mit Einsicht

Die beiden Seiten der Medaille – Krise und Chance – sind nicht voneinander zu trennen. Nur über die Krise und deren Bewältigung zu sprechen ist ebenso zu einseitig wie nur über die potentiellen Chancen zu diskutieren. Beide gehören zusammen. Das bedeutet zum Beispiel auch, anzuerkennen wieviel Schmerz, Angst und Traurigkeit für substantielle Veränderungen im Spiel sind. Diese anzunehmen und Teil des „Heilungsprozesses“ werden zu lassen, wäre wichtig und sinnvoll. Tiefere Einsicht würde auch bedeuten zu erkennen, woher die grössten Herausforderungen unserer Zeit herkommen und wie tief deren Ursachen teilweise verankert sind. So gründet das heutige Finanzsystem zum Beispiel auf den Vereinbarungen des Federal Reserve Act (1913), als Geld von der Deckung durch Gold entkoppelt wurde. Oder wo begann eigentlich genau die Ausbeutung unserer Erde?
Nicht zu vergessen, dass viele Energien, welche die Umsetzung von Lösungen blockieren oder behindern, im Verborgenen Wirken und von wenigen wirklich verstanden werden. Zum Beispiel kollektive Traumata wie der 2. Weltkrieg und deren Folgen bis heute.
Weise Führung hiesse also offen zu sein für all diese Erkenntnisse und diese einfliessen zu lassen bei Entscheidungen und bei der Lösungsfindung.

Führen mit Umsicht

Bei genauerer Betrachtung immer klarer wie alles miteinander verwoben und vernetzt ist. Klimawandel, soziale Un-gerechtigkeiten, Wirtschaftssystem und Entwicklung von Geist und Wissenschaft…alles hängt zusammen. Das muss allerdings nicht heissen, dass immer alles gleichzeitig in gleicher Intensität bearbeitet werden muss. Es könnte auch bedeuten, dass man sich einigt, welcher Fokus zu welchem Zeitpunkt den grössten Hebel zum Fortschritt in allen genannten Bereichen darstellen kann.

Jedoch müssten alle Beteiligten versuchen, sich gemeinsam immer wieder ein Gesamtbild zu verschaffen, den Blick auf das Ganze zu werfen, um besser zu verstehen, was wirklich wann und wie gefragt ist. Auch wäre es hilfreich, wenn alle Player darüber nachdenken würden, welche Auswirkungen ihre Lösungsvorschläge auf andere Bereiche haben könnte. Ganzheitliches Denken, welches auch alle Betroffenen, wirklich alle, mit einschliesst wäre heute besonders wichtig. Wenn zum Beispiel Menschen nicht berücksichtigt werden, die heute entweder an chronischem Hunger leiden oder welche jeden Tag um ihre Existenz kämpfen, können viele ökologische Bestrebungen nicht funktionieren, wenn sie auf dem Verhalten jedes einzelnen aufbauen. Das ist dann ein Luxusgut für die Wohlhabenden.

Der Zusammenhang zwischen Gesundheit und Wirtschaft wurde uns ja allen sehr deutlich vor Augen geführt, um ein weiteres Beispiel anzubringen.
Führen mit Umsicht heisst also das Einschliessen von Sichtweisen, welche eher in Vergessenheit geraten, es heisst, Folgen und Implikationen von Entscheiden und Handlungen im weiteren Umkreis des jeweiligen Ökosystems, letztlich der ganzen Erde/Welt mitzudenken, wenn gehandelt wird.

Führen mit Weitsicht

Eine Krise neigt Menschen zu überstürztem, hektischem Handeln zu treiben. Das ist heute sehr gut zu beobachten. Mit hektisch meine ich nicht grundsätzlich schnell. Um das Virus einzudämmen waren und sind immer wieder rasche Entscheide und Handlungen nötig. Und doch einiges wird heute aus Angst in aktionistischer und hektischer Weise getan und angeordnet, ohne wirklich fundierte Grundlage, vielleicht auch um die Menschen zu beruhigen?
Ist es sinnvoll die bereits massiv überschuldete Welt mit künstlich geschaffenem Geld in eine Lage zu versetzen, welche eines Tages nur dramatisch enden kann. Dann, wenn nachfolgende Generationen diese Schulden auf irgendeine Weise „bezahlen“ müssen? Schritt für Schritt schmerzhafte, aber verdaubare Massnahmen zu ergreifen, wäre möglicherweise besser oder sinnvoller. Es kommt mir manchmal so vor, als würden Entscheidungsträger wie kleine Kinder die Augen mit der Hand verdecken und dann glauben, dass es das, was sie sehen würden gar nicht gibt. Weitsicht Agieren hiesse, im Zeitraum von Jahrzehnte zu denken, um zu verstehen, welche Folgen unser heutiges Tun für kommende Generationen und die Welt haben wird. Bei vielen Eingeborenen sind es 7 Generationen, die berücksichtigt werden.

Führen mit Nachsicht

Wenn auch in der aktuellen Krise viele Menschen untereinander durchaus solidarisch agierten, einander halfen und sich gegenseitig unterstützten, gleichzeitig kann man beobachten, dass auf allen Ebenen Schuldzuweisungen und gegenseitige Anklagen erhoben werden. Wer hat versagt, wer hat es besser gemacht, wer ist wofür verantwortlich? Stoff für die Medien und viele Diskussionen.
Gefragt wäre Nachsicht. Das heisst eine urteilsfreie Nachbetrachtung der letzten Monate, welche der Weltgemeinschaft wichtige neue Erkenntnisse für die Zukunft liefern könnte. Und dies mit Nachsicht im Sinne des wohlwollenden Umgangs mit Dingen, die geschehen sind. Dazu gehört auch die gegenseitige Unterstellung von positiven Absichten. Wir könnten uns rasch einigen, dass nur in Ausnahmefällen – und diese gibt es leider – Menschen absichtlich anderen schaden wollen. Das gilt für die sich immer wieder widersprechenden Wissenschaftler genauso wie für die meisten Politiker in Regierungsverantwortung, aber auch für einzelne Menschen, welche zum Beispiel heute zugeben, das Virus unterschätzt zu haben.
Güte und Warmherzigkeit sind gefragt.

Zusammengefasst und auf den Punkt gebracht: die Krise als Chance zu nutzen könnte ganz einfach heissen, den Fokus auf das Herz, das einzelne wie auch das gemeinsame zu legen, Menschlichkeit ins Zentrum zu setzen und alle Ablenkungen davon als Herausforderung anzunehmen und zu bewältigen, um daraus wiederum zu lernen.

Folgende Quellen/Links empfehle ich zum Thema:

– Otto Scharfer Blog:
https://medium.com/presencing-institute-blog/turning-toward-our-blind-spot-seeing-the-shadow-as-a-source-for-transformation-aff23d480a55
– Charles Eisenstein
https://charleseisenstein.org/essays/the-coronation/
– Thomas Hübl
https://thomashuebl.com

Autor: Claude Heini

Foto: © creativecommonsstockphotos – Dreamstime.com (CC0)

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