Roland Zumbühl (Picswiss), Arlesheim (Commons:Picswiss project) - http://www.picswiss.ch/09-BE/s-BE-90/sBE-95-11.html

Weise Führung – gefragter denn je?

An einem aktuellen Beispiel – der Postautoskandal

In unserer Wirtschaft gab es immer wieder Skandale, heute werden diese allerdings rasch öffentlich. Transparenz ist gefragt, vieles kommt ans Licht. So auch geschehen beim immer noch aktuellen Postskandal.

Was konkret im Unternehmen vorgefallen ist, konnte bereits ausgiebig in den Medien gelesen werden, zuerst als Spekulationen, dann immer mehr mit Fakten. Post Manager hatten ihre Zahlen so «bearbeitet», dass der vom Bund erwartete Gewinnbeitrag erreicht werden konnte.

Könnte das ein typisches Beispiel sein für die Spannungsfelder, in denen sich heutige Unternehmen, auch staatlich unterstützte und deren Top-Manager bewegen? In diesem Fall dasjenige zwischen ökonomischem Zwang (hohe Ergebniserwartungen) und ethischem und wertebasiertem Verhalten?

Das ist zu vermuten. Der Bund forderte immer höhere Gewinnbeiträge, die Manager wollten den Erwartungen entsprechen und haben diese mit «Tricks» erfüllt und wurden dafür belohnt. Ein bekanntes Phänomen.

Was würde es brauchen, dass die Führung eines Unternehmens einen solchen Fall anders angehen oder ihn sogar verhindern kann?

Ein paar Überlegungen dazu:

  • Die oberste Führung müsste zuerst überhaupt erkennen, dass es ein latentes Problem im System gibt, in diesem Fall ein Risiko im Umgang mit den Erwartungen des Shareholders. Rationale Aspekte würden nicht ausreichen um dies zu erkennen, vielmehr wäre ein gutes «Bauchgefühl», Intuition gefragt. Dafür bräuchte es eine Kultur, welche nicht nur Fakten schätzt, sondern auch Empfindungen und Zeichen, welche nicht-rational daher kommen.
  • Es müsste in der Unternehmung ein offener Dialog stattfinden zu den ausgemachten Spannungsfeldern wie dem hier skizzierten (Werte, ethisches Verhalten vs. ökonomischer Druck). Es müsste auch der Mut entstehen, sich offen zu den vielleicht zu hohen Erwartungen zu äussern (genau dies hat in der Aufarbeitung danach der VR Präsident gemacht – sehr spät).
  • Qualitäten, welche in der Führung für einen solchen Fall von Tragweite nützlich wären: Einsicht, Umsicht, Weitsicht und Nachsicht
  • Einsicht würde bedingen genau hinzuschauen und zu verstehen wie das System funktioniert einschliesslich der Incentives für Manager, um Risiken besser abschätzen zu können
  • Umsicht würde ermöglichen, dass alle aus dem inneren Feld und äusseren Umfeld des Unternehmens – hier des Postautobetriebes – mit berücksichtigt werden, wenn es um die Schaffung und Entwicklung einer sinnvollen, nachhaltig erfolgreichen Kultur geht, welche bewusst mit den wichtigsten Spannungsfeldern umgeht.
  • Weitsicht würde bedeuten, dass auf höchster Ebene der Zusammenhang zwischen eher kurzfristigen Erfolgen und längerfristigen Aspekten (Folgen) transparent gemacht und diskutiert werden.
  • Nachsicht wäre durchaus angebracht, um einerseits den Fall intern und extern sauber (das scheint auch zu geschehen) und in der Tiefe nachzubearbeiten, damit auf verschiedenen auch systemischen Ebenen für die Zukunft gelernt werden kann. Anderseits müsste dadurch das Fehlverhalten einzelner Manager auch hinterfragt werden, vor allem wenn dann sogenannte «Bauernopfer» gesucht werden.

Die genannten Qualitäten in der «Weisen» Führung können für viele andere Spannungsfelder angewendet werden. So etwas wenn es um die Frage geht, was in einem Unternehmen unbedingt verändert und was bewahrt werden soll, oder wie viel Struktur (und Hierarchie) geschaffen oder erhalten werden soll, gegenüber der Autonomie von Mitarbeitenden oder ganzen Bereichen (Agilität).

Das Center of Wise Leadership hat sich zur Aufgabe gemacht, Wise Leadership in Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern einschliesslich der vier genannten Qualitäten von Einsicht, Umsicht, Weitsicht und Nachsicht.

Autor: Claude Heini

Foto: Roland Zumbühl (Picswiss), Arlesheim (Commons:Picswiss project)http://www.picswiss.ch/09-BE/s-BE-90/sBE-95-11.html

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